Roland Staab

Bildender Künstler


HÄNDEEINDRUCK

Wahrhaftig, von zeit zu mancher unzeit liegen papiere bereit, deren rückseiten – sonst ohne ersichtliche funktion – im konzentrierten fokus desjenigen liegt, der gewöhnlich die vorderseiten mit allerlei wunderlichen gebildwelten ausfüllt.
Ein glücks-, ja festtag für die üblicherweise unbeachteten rückseiten!
Zärtlich und eingehend werden sie betrachtet, gefühlvoll streichen die hände über deren angeraute oder glatte oberfächen, auf dasz dort erregt die fasern sich aufrichten gleich den härchen über einem empfangsbereiten schoszgeviert … die rückseiten sind bereit für jegliches eindringen, jedes gezielte einritzen, jedes spielerische gekritzel - sei es behelfs einer nadel, eines glanzvollen graphitstiftes, sei es durch das reiben mit daumen und zeigefnger, die sich geduldig hineinfurchen in die substanzen des papiernen.
Solchen zelebrationen überlassen, ja ergeben sich die papierrückseiten gern, und sie bezeugen die ihnen geschenkte aufmerksamkeit mit dankbarem entgegenkommen, bekunden mithin ihre bedingungslose bereitschaft, auch den schmerz in kauf zu nehmen, der ihnen durch den druck durch die sie bearbeitenden hände zugefügt wird – die rückseiten wissen, dasz diese hände sie verzaubern werden mit vielfältigen formen und zeichen und linien und schraffuren und einstichen … Das alles geschieht aus schaffender leidenschaft, alle zuwendung erwächst dem wunsch der hände nach verwandlung vom sachlich-formalen ins vielfach verrätselhaftete. Und es wird dies nur einmal auf der rückseite eines papiers durchführbar sein, damit sind die möglichkeiten ausgeschöpft, dann gereicht der papiervorderseite wieder die übliche aufmerksamkeit, dann wird diese weiter bearbeitet und die rückseite ruht in schläfriger umnachtung; ihr werk ist getan!
Vergeht ein tag, vergehen zwei oder mehrere tage – und roland staab, schöpfer unzähliger handzeichnungszaubereien, nimmt erneut die papiere, hält sie in den händen, drückt eines nach dem anderen zwischen daumen (auf der vorderseite) und mittelfngern (auf der rückseite) fest zusammen und stellt die getrockneten, mit wirrsal und delikater farbenpracht übersäten papiere nacheinander vorsichtig auf die staffelei, betrachtet seine werke. Lächelt er, ist er zufrieden mit dem was er sieht, legt er die stirn in falten, fällt seinem prüfenden blick etwas unbestimmbares, störendes auf. Seiner strengen behutsamkeit will nichts achtlos entgehen, zu ausgeprägt ist die tiefe bindung zu seinen partnern – den vorderund rückseiten der auserwählten papiere.
Und was bleibt? - immer ein kleines wunder von unerklärlicher schönheit oder geheimnisvoller anspielungen oder skurrilem feinsinngefüster oder dunkler entschiedenheit oder verwirrendem ausgelassensein oder, oder …, nichts jedenfalls auswechselbar typisches, schlichtweg etwas MONOTYP I E 'sches eben!

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