Roland Staab
Bildender Künstler
"der Forschungsreisende", übermalter Holzschnitt, 2017
Ausstellung Roland Staab in der Galerie Mitte
Eine Eule wie ein Fisch, und beide sind Einer, sie bitten zu Tisch, Tisch hat 15 Beine, umschlungen
von wuchernden Lianen, gar glaubt der UNSCHULDIGE LÜGNER an Bananen, er vermint
mit seinem Grinsen die dargereichten Linsen, dort nisten die Spinnen in filigranen Gespinsten,
DER ERDNUSSMANN tritt herzu und läszt sich's schmecken, während die Zeiten verrinnen
und klitzer-glitzernde Gnome von Teller zu Teller springen, von Ast zu Ast, durch
Schlünde und Gründe, bis der durchlöcherte HOMUNCULUS alles und auch Künftiges verschlingt
– und Bild für Bild in mich dringt, Bildgebilde von winzig grosz bis riesig
klein, stets gehalten in Form, Wille, oft bissigem Witz, da schwitzen die Augen, meine
Blicke zieht es hinein in magische, mannigfach flieszende Phantasie, wiewohl ich im
Bilde der Bilder und Objekte bin ganz und gar und wohl wissend, dasz eine Rezension
in einem bürgerlichen landeshauptstädtischen Regionalblatt anderes voraussetzt als
die spintisierenden Verirrungen des Rezensenten ...
Sei's drum, die Galerie Mitte hält solch befremdlich-freundliche Welt bereit – eine Ausstellung
mit 134 ergiebigen Ergüssen von Roland Staab, Jahrgang 1947.
Ganz klar: Einer, der die 70 überschritten hat, darf alles, darf erschaffen, was immer er
will. Wer wie er über Jahrzehnte sich diszipliniert modischen Erwartungshaltungen
entzieht, kann lachen und weinen, wie's ihm gefallen mag; von Bitternis keine Spur.
Roland Staab verlebt sich in Zeichnung, Monotypie, Collage, Holzschnitt, in plastischem
Gebilde (derzeit aus Pappmachè), da kommt schon so manches Gekritzelte, Geritzte,
Geklebte, allemal akribisch Komponierte zusammen, was in einem Betrachter
von entflammenden zu entspannenden, genüszlichen Auslösungen führt bis hin zum
befreiten Glucksen irritierender Glückseligkeit. Klingt nach Superlativen, o je! Spielt
aber keine Rolle. Zu vieles beim Betrachten geht seiner eigenen Wege, nichts erscheint
statisch, nichts fixiert einen einzelnen Gegenstand, in versteckten Ecken und Winkeln
wird gekichert, salbadert, allerlei unvernünftige Psychogramme verwuseln sich in/auf
feinen Papiergründen, florale Gebilde durchdringen oder bedrängen sich, mutiert fiktives
Geflüster zu schallendem Gelächter … Ja gut, so liesze sich das fortsetzen, doch
hinter dem, was offenbar gesehen wird, ist kaum etwas, das sich nicht sofort auch wieder
verändert; von Beliebigkeit kann keine Rede sein. Staabs Ergüsse brüskieren nicht,
dafür sind sie zu hintersinnig und frei von moralischer Besserwisserei. Seine Arbeiten
sind offene Geheimnisse, kaum verstiegen verrätselt und Gott sei Dank! nicht raffiniert,
sondern spielerisch – unter den Hand verliert er nicht den Boden unter den Füszen.
Roland Staab zaubert nicht, er arbeitet, das allerdings unerbittlich. Nein, ein Zauberer
ist er nicht, ein Zauberer kennt seine Tricks, der weisz immer: Gewuszt, wie! Aber dem
Zauberer fehlt Phantasie, er blendet, lenkt ab, zielt auf den Effekt, und Roland Staab
sollte es sich selbst danken, nicht zaubern zu können, gleichwohl er ein Phantast ist,
die Phantasie in seinem Kopf regsame Urständ' feiert, auf dasz sie über/durch Feder
oder Pinsel, Stift und allerlei eigens erfundene Utensilien geflossen kommen, um auf
dem wertvollen Rest der Bäume: dem Papier (in seiner vielfältigen Art) manifest zu
werden.
> Expedition < Zeichnungen und Objekte
So der thematische, vieldeutig lapidare Rahmen der Ausstellung. Expedition im und
ins Reich der Phantasie. Dafür musz man die Welt körperlich nicht erkundet, bereist,
erforscht haben. Roland Staab expediert in bescheidenerer Manier, seine Kopf-Reisen
sind seine Manie, die treibt ihn um, läszt ihn erstaunen und der ergibt er sich wundersam
manierlich; Expedition ist bei ihm Experimentieren, mit einem Schusz Weisheit,
Freigeist und – Einsamkeit.
Es ist gewisz ein Wagnis, in einer mittelgroszen Galerie jeden freien Platz, jedes noch
so ansonsten funktional besetzte Plätzchen mit schier zahllosen Werken sinnfällig zu
bestücken, schnell könnte das beliebig werden. Dasz dem nicht so sein musz, beweist
die Präsentation, hier ordnet sich organisch einander zu, was durch die zwar jeweilige
Autonomie einer jeden Arbeit zu einer Art kosmischen Einheit zusammengeführt worden
ist. Eine Ausstellung, die üble Laune zu vertreiben vermag, ein „Fest für die Sinne“,
wie man so schön zu sagen pflegt, ein Hohelied auf die Heiterkeit.
Henrik, Weiland, im April 2018
Diese Rezension erschien am 31.Mai 2018 in einer gekürzten Fassung unter der Überschrift "Expedition in befremdlich-freundliche Welten" in der Sächsischen Zeitung.
https://www.sz-online.de/nachrichten/kultur/expedition-in-befremdlich-freundliche-welten-3945200.html